Ja, vielen Dank. Ich habe mich auch sehr über diese Einladung ausgerechnet in diesem Saal reden zu
dürfen gefreut. Sie werden es hören. Ich bin aus Nürnberg und komme, es war jetzt sehr vornehm
vorgestellt, ich bin ein Historiker von der Straße. Geschichte für alle. Institut Nunja,
wir sind ein Verein, der viel Vermittlung macht und ganz ehrlich war es nicht mein Ziel oder mein
sehnlichster Wunsch, im öffentlichen Dienst zu landen. Das ist jetzt so passiert und ich weiß
es zu schätzen, aber kenne auch die Nachteile und warum ich mich freue, jetzt hier zu stehen,
ist weil es so ein kleiner ganz persönlicher Triumph ist. Ich sah es bis schon lange her,
irgendwo da. Hier an dieser Stelle stand der legendäre Professor Gregor Schölgen,
hat sich so umgeschaut, hat gesagt, wissen Sie was meine Damen und Herren, zwei Drittel von
Ihnen sind überflüssig. Das war sehr motivierend für die Magister Studierenden damals und zumindest
für mich kann ich sagen, ich habe mich jetzt nicht überflüssig gefühlt und stehe jetzt hier und
freue mich, vielleicht zieht das ja noch einen späten Gruß an einen verdienten Professor. Mein
Thema Nürnberger Gesetze möchte ich so ein bisschen auch weiten und klar machen,
dass ich das einordnet in ein Denken, das dann letztlich blanken Rassismus bedeutet. Es ist
kein vernügliches Thema, das muss ich schon sagen, also wer sich zum Beispiel das Standardwerk
wenigstens teilweise zu Gemüte führt, Cornelia Essner, die Nürnberger Gesetze oder die Verwaltung
des ersten Warns, der kommt da schon in Untiefen des Denkens und verhakt sich manchmal, bin ich
jetzt eigentlich nicht in der Lage das zu verstehen oder ist das tatsächlich unlogisch. Letzteres ist
dann wohl der Fall, aber nichtsdestotops, ich möchte in dem Vortrag auch ein bisschen zeigen,
dass das allein, das auseinanderzusetzen, wie schrecklich unlogisch das ist, das allein
hilft noch nicht viel. Wichtig ist vielleicht auch, und das ist ein Punkt in meinem heutigen
Vortrag, zu sehen, dass die Menschen damals, die die Nürnberger Gesetze 1935 erlebt haben,
wie sie entstanden sind, wie sie verkündet wurden, dass die ja nicht wissen konnten,
wie das weitergeht. Uns erscheint heute in der Hübschau dieses Gesetzespaket nach selbstverständlich
ein ganz wichtiges Grundgesetz für alles Weitere und wir wissen ja das Weitere. Das war am 15.
September 1935 wirklich ganz anders, da saß beispielsweise der Historiker und jüdische Bürger
Besslaus Willi Kohn mit seiner Familie abends vor dem Herdjurabherat. Man war gespannt, gerade auch
auf Seiten der Juden und Jüdinnen in Nürnberg, was der Nürnberger Erichsparteitag an Veränderungen
bringen würde. Erstmals und zum einzigen Mal kam in Nürnberg auch der Erichstag zusammen,
das damalige Pseudoparlament, bestehend nur als Abgeordneten der NSDAP. Und Willi Kohn schreibt,
um neun Uhr hören wir die Rede zur Eröffnung des Erichstages in Nürnberg, die der Führer hielt.
Sie war gänzlich auf den Kampf gegen das Judentum und Marxismus abgestellt. Es wurden auch Gesetze
verlesen, da aber die Übertragung aus Nürnberg aussetzte, weiß ich in diesem Augenblick noch
nicht, was sie enthalten. Und sind diese Gesetze heute geläufig, aber es ist schon erst mal
überraschend, dass das Radio aussetzt. Ich komme darauf zurück, warum. Aber aus heutiger Sicht sind
die Nürnberger Gesetze nicht die ersten, aber die wichtigsten Maßnahmen zur rechtlichen Ausgänzung
einer Bevölkerungsgruppe in Deutschland wären das Nationalsozialismus. Mithilfe dieser Gesetze und
vor allem mit der zahlreichen darauf bezogenen Verordnungen, Ausführungsbestimmungen erlassen,
gelang es den Nationalsozialisten, gelang es genauer den für den nationalsozialistischen Staat
tätigen Juristen, Finanz- und Verwaltungsbeamten. In nur fünf Jahren, also 35 bis 1940, die deutschen
Juden und Jüdinnen nahezu vollständig aus der deutschen Gesellschaft auszukämpfen, sie
rechtlos in ein gesellschaftliches und soziales Ghetto zu verbannen, sowie ihren Finanztod zu
organisieren. Finanztod ist ein Begriff von Hans-Günter Adler, Soziologe des Holocaust und
selbst Überlebender des Ghettos Thereseenstadt. Also die fast vollständige Handlungsunfähigkeit
der deutschen Juden, mangels finanzieller Mittel, das hätte Willi Kohn, als er 1935 vor dem Radio saß,
sicher in keiner Weise für möglich gehalten. Die Nürnberger Gesetze beinhalten, ich komme
später noch genauer darauf, letztlich ein diskriminierendes Staatsbürgerecht und ein
Verbot von sogenannten Mischehen, also vom das Verbot des Verkehrs zwischen Juden und Nichtjuden
und dieser Begriff Verkehr ist bewusst etwas undeutlich gehalten, meint aber in erster Linie
auch Geschlechtsverkehr. Dieser Begriff Verkehr, verbotener Verkehr, das ähnelt schon und das
Presenters
Dr. Alexander Schmidt
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:59:40 Min
Aufnahmedatum
2024-06-04
Hochgeladen am
2024-06-05 14:16:04
Sprache
de-DE